Bürgerbeteiligung: Unterschied zwischen den Versionen

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=='''2. Einschätzung der gegenwärtigen Bürgerbeteiligung'''==
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==2. Einschätzung der gegenwärtigen Bürgerbeteiligung==
  
 
„Die bereits nach derzeit geltender Rechtslage bestehenden formellen Bürgerbeteiligungsverfahren in der städtebaulichen Planung sind ein auf allen kommunalen Ebenen mit viel Erfahrung angewendeter Standard. Die in dieser Form praktizierte Beteiligung geht jedoch häufig am Bürger vorbei.“ [[Einschätzung der gegenwärtigen Bürgerbeteiligung| mehr:]]  
 
„Die bereits nach derzeit geltender Rechtslage bestehenden formellen Bürgerbeteiligungsverfahren in der städtebaulichen Planung sind ein auf allen kommunalen Ebenen mit viel Erfahrung angewendeter Standard. Die in dieser Form praktizierte Beteiligung geht jedoch häufig am Bürger vorbei.“ [[Einschätzung der gegenwärtigen Bürgerbeteiligung| mehr:]]  
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=='''3. Paradigmenwechsel'''==
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==3. Paradigmenwechsel==
 
Paradigmenwechsel: die Investoren reklamieren den Staat für sich, derweilen der Staat den Bürger zu ehrenamtlichen Beteiligungsverfahren aufruft. [[Paradigmenwechsel| mehr:]]  
 
Paradigmenwechsel: die Investoren reklamieren den Staat für sich, derweilen der Staat den Bürger zu ehrenamtlichen Beteiligungsverfahren aufruft. [[Paradigmenwechsel| mehr:]]  
  
  
=='''4. Informelle Beteiligung – ein Zug der Zeit?'''==  
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==4. Informelle Beteiligung – ein Zug der Zeit?==  
  
 
„Da der demografische Wandel einhergeht mit der finanziellen Krise der öffentlichen Hand und der Kommunen, werden insbesondere Städte und Gemeinden als maßgebliche Akteure für die Gestaltung des demografischen Wandels bei bestehen bleibenden oder gestiegenen Herausforderungen immer weniger Mittel zur Verfügung haben. Auch der demografische Wandel wird daher dazu führen müssen, dass die gegenseitige Übernahme von Allgemeinaufgaben durch die „Betroffenen“ selbst verantwortet wird. Wir werden zukünftig mehr und mehr mit einer neuen Verantwortungskultur zwischen der Gemeinde einerseits sowie Sozial- und Bildungsträgern andererseits zu tun haben. Die Herausbildung einer Bürger- und Zivilgesellschaft ist daher auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unabdingbar“? [[Informelle Beteiligung| mehr:]]
 
„Da der demografische Wandel einhergeht mit der finanziellen Krise der öffentlichen Hand und der Kommunen, werden insbesondere Städte und Gemeinden als maßgebliche Akteure für die Gestaltung des demografischen Wandels bei bestehen bleibenden oder gestiegenen Herausforderungen immer weniger Mittel zur Verfügung haben. Auch der demografische Wandel wird daher dazu führen müssen, dass die gegenseitige Übernahme von Allgemeinaufgaben durch die „Betroffenen“ selbst verantwortet wird. Wir werden zukünftig mehr und mehr mit einer neuen Verantwortungskultur zwischen der Gemeinde einerseits sowie Sozial- und Bildungsträgern andererseits zu tun haben. Die Herausbildung einer Bürger- und Zivilgesellschaft ist daher auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unabdingbar“? [[Informelle Beteiligung| mehr:]]
  
=='''5. Vom lang angelegten Ehrenamtes zur projektbezogenen Beteiligung'''==  
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==5. Vom lang angelegten Ehrenamtes zur projektbezogenen Beteiligung==  
  
 
„Die bereits häufig getroffene Feststellung, dass die Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement nach wie vor groß ist, sich jedoch von den klassischen Formen des auf längere Zeitdauer angelegten Ehrenamtes hin zu einer projektbezogenen Beteiligung verändert hat, erfordert eine Neuorientierung der Bürgerbeteiligung, bei der Bürgerbeteiligung nicht als bürgerberuhigendes Placebo, sondern als Wunsch um die Einbeziehung bürgerschaftlichen Sachverstandes begriffen wird“ [[Vom lang angelegten Ehrenamtes zur projektbezogenen Beteiligung| mehr:]]
 
„Die bereits häufig getroffene Feststellung, dass die Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement nach wie vor groß ist, sich jedoch von den klassischen Formen des auf längere Zeitdauer angelegten Ehrenamtes hin zu einer projektbezogenen Beteiligung verändert hat, erfordert eine Neuorientierung der Bürgerbeteiligung, bei der Bürgerbeteiligung nicht als bürgerberuhigendes Placebo, sondern als Wunsch um die Einbeziehung bürgerschaftlichen Sachverstandes begriffen wird“ [[Vom lang angelegten Ehrenamtes zur projektbezogenen Beteiligung| mehr:]]
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=='''6. Das Dreieck: Verwaltung, Politik, Bürgerschaft'''==
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==6. Das Dreieck: Verwaltung, Politik, Bürgerschaft==
  
 
„22 von 32 Verfahren (in Städten und Gemeinden Schleswig-Holsteins, d. Verf.) (= 68,75%) wurden von der Verwaltung angeregt und bei weiteren 3 Verfahren die Verwaltung gemeinsam mit der Politik und/oder der Bürgerschaft Veranlasser für ein informelles Beteiligungsverfahren. Damit wird deutlich, dass die Verwaltung innovativen Planungsansätzen nicht nur offen gegenüber steht, sondern sie vielmehr aktiv einbringt. Der Politik kommt eine solche aktive Rolle anscheinend nicht zu.“  
 
„22 von 32 Verfahren (in Städten und Gemeinden Schleswig-Holsteins, d. Verf.) (= 68,75%) wurden von der Verwaltung angeregt und bei weiteren 3 Verfahren die Verwaltung gemeinsam mit der Politik und/oder der Bürgerschaft Veranlasser für ein informelles Beteiligungsverfahren. Damit wird deutlich, dass die Verwaltung innovativen Planungsansätzen nicht nur offen gegenüber steht, sondern sie vielmehr aktiv einbringt. Der Politik kommt eine solche aktive Rolle anscheinend nicht zu.“  
  
  
=='''7. Entfremdung zwischen Bürger und Politik durch Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten'''==
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==7. Entfremdung zwischen Bürger und Politik durch Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten==
  
 
„In den letzten Jahren ist es zunehmend zu einer Entfremdung zwischen Politik und Bürgern in Deutschland gekommen. Eine sinkende Wahlbeteiligung – insbesondere auf kommunaler Ebene – ist Ausdruck von Politikverdrossenheit und von Misstrauen in die Lösungskompetenz der Politik. Sieht man davon ab, dass es vielfältige, sicherlich auch kontrovers zu diskutierende Ursachen für die Politikentfremdung und Parteienverdrossenheit gibt, so ist der Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten an politischen und Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse wohl von zentraler Bedeutung für die Entfremdung. Wer nicht mitwirken kann, verliert nach dem Interesse auch das Gespür für Verantwortung in der Gesellschaft“ [[Entfremdung zwischen Bürger und Politik durch Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten| mehr:]]
 
„In den letzten Jahren ist es zunehmend zu einer Entfremdung zwischen Politik und Bürgern in Deutschland gekommen. Eine sinkende Wahlbeteiligung – insbesondere auf kommunaler Ebene – ist Ausdruck von Politikverdrossenheit und von Misstrauen in die Lösungskompetenz der Politik. Sieht man davon ab, dass es vielfältige, sicherlich auch kontrovers zu diskutierende Ursachen für die Politikentfremdung und Parteienverdrossenheit gibt, so ist der Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten an politischen und Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse wohl von zentraler Bedeutung für die Entfremdung. Wer nicht mitwirken kann, verliert nach dem Interesse auch das Gespür für Verantwortung in der Gesellschaft“ [[Entfremdung zwischen Bürger und Politik durch Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten| mehr:]]
  
  
=='''8. Bürgerbeteiligung stärk die Demokratie'''==
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==8. Bürgerbeteiligung stärk die Demokratie==
  
 
„Die künftige Rolle der Kommunalpolitik ist die eines Moderators und Koordinators in einem Geflecht von gleichgestellten, aber autonomen Akteuren. Aufgabe von Politik ist nicht mehr, kollektiv verbindliche Entscheidungen zu treffen, sondern dafür zu sorgen, dass kollektive Entscheidungen getroffen werden“ [[Bürgerbeteiligung stärk die Demokratie| mehr:]]
 
„Die künftige Rolle der Kommunalpolitik ist die eines Moderators und Koordinators in einem Geflecht von gleichgestellten, aber autonomen Akteuren. Aufgabe von Politik ist nicht mehr, kollektiv verbindliche Entscheidungen zu treffen, sondern dafür zu sorgen, dass kollektive Entscheidungen getroffen werden“ [[Bürgerbeteiligung stärk die Demokratie| mehr:]]
  
  
=='''9. Bürgerbeteiligung vs. repräsentativer Demokratie'''==
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==9. Bürgerbeteiligung vs. repräsentativer Demokratie==
 
„Die stärkere Verknüpfung zwischen repräsentativ-demokratischer und bürger-demokratischer Politik dürfte der zunehmenden Komplexität von Gesellschaft und Politik eher Rechnung tragen als ein überkommenes, hoheitliches Politikverständnis, das sich allein mit parlamentarischer Mehrheitsentscheidung rechtfertigt. Notwendig ist vielmehr eine „horizontal und vertikal differenzierte Regelungsstruktur“ mit Schritten hin zu einer neuen Kommunikations- und Beteiligungskultur. In ihr muss sich der moderne, kommunizierende und verhandelnde Staat nicht zuletzt dadurch bewähren, dass die Bürgerinnen und Bürger ernst genommen und ihnen neue Diskursräume und Beteiligungsplattformen geboten werden.“ [[Bürgerbeteiligung vs. repräsentativer Demokratie| mehr:]]  
 
„Die stärkere Verknüpfung zwischen repräsentativ-demokratischer und bürger-demokratischer Politik dürfte der zunehmenden Komplexität von Gesellschaft und Politik eher Rechnung tragen als ein überkommenes, hoheitliches Politikverständnis, das sich allein mit parlamentarischer Mehrheitsentscheidung rechtfertigt. Notwendig ist vielmehr eine „horizontal und vertikal differenzierte Regelungsstruktur“ mit Schritten hin zu einer neuen Kommunikations- und Beteiligungskultur. In ihr muss sich der moderne, kommunizierende und verhandelnde Staat nicht zuletzt dadurch bewähren, dass die Bürgerinnen und Bürger ernst genommen und ihnen neue Diskursräume und Beteiligungsplattformen geboten werden.“ [[Bürgerbeteiligung vs. repräsentativer Demokratie| mehr:]]  
  
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=='''10. Elitenbeteiligung – Beteiligung der breiten Mehrheit'''==
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==10. Elitenbeteiligung – Beteiligung der breiten Mehrheit==
  
 
„Zur Verwirklichung des Ziels einer breiten Beteiligung bedarf es des Einsatzes geeigneter Methoden und Instrumente. Es muss hierbei von der exklusiven Verliebtheit vieler Protagonisten in solche Methoden Abschied genommen werden, die eine unmittelbare face-to-face-Kommunikation gewährleisten. Es entsteht hierdurch eine Bevorzugung von Methoden, die auf das Arbeiten in und mit Kleingruppen abstellen, aus denen aber die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen bleibt, der keine Beteiligungschance zuteil wird“ [[Elitenbeteiligung – Beteiligung der breiten Mehrheit| mehr:]]   
 
„Zur Verwirklichung des Ziels einer breiten Beteiligung bedarf es des Einsatzes geeigneter Methoden und Instrumente. Es muss hierbei von der exklusiven Verliebtheit vieler Protagonisten in solche Methoden Abschied genommen werden, die eine unmittelbare face-to-face-Kommunikation gewährleisten. Es entsteht hierdurch eine Bevorzugung von Methoden, die auf das Arbeiten in und mit Kleingruppen abstellen, aus denen aber die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen bleibt, der keine Beteiligungschance zuteil wird“ [[Elitenbeteiligung – Beteiligung der breiten Mehrheit| mehr:]]   
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=='''11. informelle Bürgerbeteiligung und ihre Vorteile'''==  
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==11. informelle Bürgerbeteiligung und ihre Vorteile==  
  
 
„Mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an städtebaulichen Planungen ergeben sich nicht nur Chancen zu gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch ganz „handfeste“ Vorteile gegenüber den herkömmlichen formellen Verfahren. [[informelle Bürgerbeteiligung und ihre Vorteile| mehr: ]]
 
„Mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an städtebaulichen Planungen ergeben sich nicht nur Chancen zu gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch ganz „handfeste“ Vorteile gegenüber den herkömmlichen formellen Verfahren. [[informelle Bürgerbeteiligung und ihre Vorteile| mehr: ]]
  
=='''12. informelle Bürgerbeteiligung und ihre Nachteile''' ==
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==12. informelle Bürgerbeteiligung und ihre Nachteile ==
  
 
Als ein wesentliches Problem stellt sich heraus, dass es kaum zu gelingen scheint, Bürgerinnen und Bürger aus allen Gesellschaftsschichten zu aktivieren und zu beteiligen. [[informelle Bürgerbeteiligung und ihre Nachteile| mehr]]
 
Als ein wesentliches Problem stellt sich heraus, dass es kaum zu gelingen scheint, Bürgerinnen und Bürger aus allen Gesellschaftsschichten zu aktivieren und zu beteiligen. [[informelle Bürgerbeteiligung und ihre Nachteile| mehr]]
  
  
=='''13. Bürgerbeteiligung und ihre Erfolge'''==
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==13. Bürgerbeteiligung und ihre Erfolge==
  
 
„Es zeigt sich, dass die Bewertung des Erfolgs von informellen Beteiligungsverfahren kaum objektivierbar ist, sondern vielmehr abhängig ist von den Erwartungen, die die jeweiligen Vefahrensbetreiber an das Ergebnis des Verfahrens stellen oder von den Zielen, die sie formulieren. Die Maßstäbe für eine entsprechende Bewertung sind bei den einzelnen Akteursgruppen unterschiedlich: Während für Politik und Verwaltung an erster Stelle die Akzeptanz des Vorhabens (= Konfliktfreiheit) steht, legen Investoren vor allem Wert auf Wirtschaftlichkeit und Rendite und die Bürgerschaft vor allem auf Funktion und Nutzen. [[Bürgerbeteiligung und ihre Erfolge| mehr
 
„Es zeigt sich, dass die Bewertung des Erfolgs von informellen Beteiligungsverfahren kaum objektivierbar ist, sondern vielmehr abhängig ist von den Erwartungen, die die jeweiligen Vefahrensbetreiber an das Ergebnis des Verfahrens stellen oder von den Zielen, die sie formulieren. Die Maßstäbe für eine entsprechende Bewertung sind bei den einzelnen Akteursgruppen unterschiedlich: Während für Politik und Verwaltung an erster Stelle die Akzeptanz des Vorhabens (= Konfliktfreiheit) steht, legen Investoren vor allem Wert auf Wirtschaftlichkeit und Rendite und die Bürgerschaft vor allem auf Funktion und Nutzen. [[Bürgerbeteiligung und ihre Erfolge| mehr
 
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=='''14. Stadtentwicklungsplanung ist mehr als Kommunikation'''==
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==14. Stadtentwicklungsplanung ist mehr als Kommunikation==
 
„Trotz der in dieser Dissertation zum Ausdruck gekommenen überwiegend positiven Bewertung informeller Beteiligungsverfahren bleibt zu beachten, dass städtebauliche Planung nicht reduziert werden kann auf Kommunikation und Kooperation. Nach wie vor muss jeder städtebaulichen Planung eine sorgfältige Bestandsaufnahme und Problemanalyse auf fachlicher Grundlage voraus gehen und das gewissenhaft abgewogene Planungsergebnis muss politischen und rechtlichen Entscheidungsprozessen Stand halten können. Dazu bedarf es mehr als ausgeprägter Moderationsfähigkeiten – es bedarf der sorgfältigen Arbeit qualifiziert ausgebildeter StadtplanerInnen.“  
 
„Trotz der in dieser Dissertation zum Ausdruck gekommenen überwiegend positiven Bewertung informeller Beteiligungsverfahren bleibt zu beachten, dass städtebauliche Planung nicht reduziert werden kann auf Kommunikation und Kooperation. Nach wie vor muss jeder städtebaulichen Planung eine sorgfältige Bestandsaufnahme und Problemanalyse auf fachlicher Grundlage voraus gehen und das gewissenhaft abgewogene Planungsergebnis muss politischen und rechtlichen Entscheidungsprozessen Stand halten können. Dazu bedarf es mehr als ausgeprägter Moderationsfähigkeiten – es bedarf der sorgfältigen Arbeit qualifiziert ausgebildeter StadtplanerInnen.“  
  
  
=='''15. Rechtliche Regelungen, Möglichkeiten, praktische Beispiele'''==
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==15. Rechtliche Regelungen, Möglichkeiten, praktische Beispiele==
 
„Das geltende Städtebaurecht bietet bei konsequenter Anwendung einerseits Beteiligungsrechte und andererseits ausreichende Spielräume zur Gestaltung umfänglicher Kooperationsverfahren. Es sind nicht Gesetze und Normen, die Bürgerbeteiligungsverfahren erfolgreich machen – es sind die Menschen, die diese Gesetze und Normen anwenden“ [[Rechtliche Regelungen, Möglichkeiten, praktische Beispiele| mehr:]]  
 
„Das geltende Städtebaurecht bietet bei konsequenter Anwendung einerseits Beteiligungsrechte und andererseits ausreichende Spielräume zur Gestaltung umfänglicher Kooperationsverfahren. Es sind nicht Gesetze und Normen, die Bürgerbeteiligungsverfahren erfolgreich machen – es sind die Menschen, die diese Gesetze und Normen anwenden“ [[Rechtliche Regelungen, Möglichkeiten, praktische Beispiele| mehr:]]  
  
  
  
=='''Fazit:==  
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==Fazit:==  
 
Die „Bürgerkommune" ist als Perspektive ebenso real wie fundamental. Man muss sie allerdings nicht nur wollen, sondern auch mit sehr viel  Energie und mit Einsicht in ihre realen Bedingungen ins Werk setzen! „
 
Die „Bürgerkommune" ist als Perspektive ebenso real wie fundamental. Man muss sie allerdings nicht nur wollen, sondern auch mit sehr viel  Energie und mit Einsicht in ihre realen Bedingungen ins Werk setzen! „
 
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Version vom 29. Oktober 2012, 14:19 Uhr

Thesen zu „Bürgerbeteiligung“

Die folgende Ausarbeitung stützt sich vor allem auf die ausgezeichnete Dissertation von Dr. Lüder Busch „Bürgerbeteiligung in der städtebaulichen Planung - - das Beispiel der kreisangehörigen Städte Schleswig-Holsteins“ (246 Seiten), Hamburg 2007, Leiter des Bauamts Glückstadt.

1. Der gesamtgesellschaftliche Hintergrund

„Die Rahmenbedingungen von Stadt(entwicklungs)planung werden derzeit durch gravierende Veränderungen gekennzeichnet 1. Die Globalisierung führt zu einer zunehmenden Ökonomisierung auch des staatlichen Handelns, zu steigender Konkurrenz der Standorte und zu zunehmender Abhängigkeit von privaten Investoren. 2. Der Wertewandel mit zunehmender Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft führt zu einem abnehmenden Stellenwert des Gemeinwohls. 3. Der demographische Wandel führt zu Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen System. 4. Der wachsende Einfluss der EU führt zu einer zunehmenden Regelungsdichte. 5. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie führt zu neuen technischen Möglichkeiten.

Diese Veränderungen haben direkte Folgen für stadtplanerische Prozesse: − die finanzielle Krise des Staates und der Kommunen führt zu Verschiebungen von Prioritäten im öffentlichen Aufgabenbereich“ und findet ihre Entsprechung in Um- und Rückbau - vorwiegend im Bereich soziale Dienste und Wohnungsversorgung, derweilen Neu- und Ausbau vorwiegend im Bereich der gewerblichen Wirtschaft stattfindet. − Investitionen und deren Planungen verlagern sich aus dem öffentlichen in den privaten Bereich, wie das z.B. bei Vorhaben- und Erschließungsplänen nach § 12 BauGB gesetzlich vorgesehen ist. − unter dem Investitionsdruck (Arbeitsplätze!) privaten Kapitals werden bisher geltende normative Regeln geschwächt 111 Beispiel dafür ist das beschleunigte Verfahren nach § 13 a BauGB und − Projekte haben zunehmend kürzere Lebenszyklen.“

Damit verringern sich nicht nur planerische Handlungsspielräume, sondern es ändert sich gleichsam der gesellschaftliche Hintergrund städtebaulicher Planung. Denn als Reaktion auf den sozialen Wandel der Gesellschaft in Richtung einer zunehmenden Individualisierung wächst der Wunsch des Einzelnen zur Mitsprache bei öffentlichen Belangen und zur Mitgestaltung des eigenen Lebensumfeldes.“


2. Einschätzung der gegenwärtigen Bürgerbeteiligung

„Die bereits nach derzeit geltender Rechtslage bestehenden formellen Bürgerbeteiligungsverfahren in der städtebaulichen Planung sind ein auf allen kommunalen Ebenen mit viel Erfahrung angewendeter Standard. Die in dieser Form praktizierte Beteiligung geht jedoch häufig am Bürger vorbei.“ mehr:

Im Schatten von Hierarchie und Mehrheit werden Beteiligungsverfahren benutzt, um durch Integration von Interessengruppen und vordergründigen Konsens der Beteiligten bestehende Machtstrukturen zu erhalten vermutet Gerhard Fuchs mehr:

„Die Verbreitung prominenter ‚neuer Formen’ der Bürgerbeteiligung ist minimal. Planungszellen/ Bürgergutachten gab es bisher nur einige dutzend Male. Ähnlich kommen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide im Durchschnitt pro Kommune nur alle 30 Jahre vor und kamen in der Mehrzahl der Kommunen noch nie vor! mehr: Skeptische bis negative Einstellung zur Bürgerbeteiligung herrscht bei der Mehrzahl der kommunalen Vertretungskörperschaften und Verwaltungen vor. Gründe sind die Angst vor Machtverlust, aber auch die Angst, kleinen aber lautstarken Minderheiten auf den Leim zu gehen, welche fälschlicherweise in Anspruch nehmen, „die" Bürger zu vertreten: die sogenannten „üblichen Verdächtigen"! mehr:

Die entscheidende Problemursache – und der entscheidende Ansatzpunkt zum Handeln - für die laue Stimmung und Beteiligungs-Trägheit der Mehrheit der Bevölkerung besteht in der vorherrschende Mehrheitsmeinung: ‚Es besteht das Risiko, auf eine 'Spielwiese' geführt zu werden’ Und damit entsteht die Unsicherheit der Teilnehmer über die Effektivität der eigenen Arbeit" .


3. Paradigmenwechsel

Paradigmenwechsel: die Investoren reklamieren den Staat für sich, derweilen der Staat den Bürger zu ehrenamtlichen Beteiligungsverfahren aufruft. mehr:


4. Informelle Beteiligung – ein Zug der Zeit?

„Da der demografische Wandel einhergeht mit der finanziellen Krise der öffentlichen Hand und der Kommunen, werden insbesondere Städte und Gemeinden als maßgebliche Akteure für die Gestaltung des demografischen Wandels bei bestehen bleibenden oder gestiegenen Herausforderungen immer weniger Mittel zur Verfügung haben. Auch der demografische Wandel wird daher dazu führen müssen, dass die gegenseitige Übernahme von Allgemeinaufgaben durch die „Betroffenen“ selbst verantwortet wird. Wir werden zukünftig mehr und mehr mit einer neuen Verantwortungskultur zwischen der Gemeinde einerseits sowie Sozial- und Bildungsträgern andererseits zu tun haben. Die Herausbildung einer Bürger- und Zivilgesellschaft ist daher auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unabdingbar“? mehr:

5. Vom lang angelegten Ehrenamtes zur projektbezogenen Beteiligung

„Die bereits häufig getroffene Feststellung, dass die Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement nach wie vor groß ist, sich jedoch von den klassischen Formen des auf längere Zeitdauer angelegten Ehrenamtes hin zu einer projektbezogenen Beteiligung verändert hat, erfordert eine Neuorientierung der Bürgerbeteiligung, bei der Bürgerbeteiligung nicht als bürgerberuhigendes Placebo, sondern als Wunsch um die Einbeziehung bürgerschaftlichen Sachverstandes begriffen wird“ mehr:


6. Das Dreieck: Verwaltung, Politik, Bürgerschaft

„22 von 32 Verfahren (in Städten und Gemeinden Schleswig-Holsteins, d. Verf.) (= 68,75%) wurden von der Verwaltung angeregt und bei weiteren 3 Verfahren die Verwaltung gemeinsam mit der Politik und/oder der Bürgerschaft Veranlasser für ein informelles Beteiligungsverfahren. Damit wird deutlich, dass die Verwaltung innovativen Planungsansätzen nicht nur offen gegenüber steht, sondern sie vielmehr aktiv einbringt. Der Politik kommt eine solche aktive Rolle anscheinend nicht zu.“


7. Entfremdung zwischen Bürger und Politik durch Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten

„In den letzten Jahren ist es zunehmend zu einer Entfremdung zwischen Politik und Bürgern in Deutschland gekommen. Eine sinkende Wahlbeteiligung – insbesondere auf kommunaler Ebene – ist Ausdruck von Politikverdrossenheit und von Misstrauen in die Lösungskompetenz der Politik. Sieht man davon ab, dass es vielfältige, sicherlich auch kontrovers zu diskutierende Ursachen für die Politikentfremdung und Parteienverdrossenheit gibt, so ist der Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten an politischen und Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse wohl von zentraler Bedeutung für die Entfremdung. Wer nicht mitwirken kann, verliert nach dem Interesse auch das Gespür für Verantwortung in der Gesellschaft“ mehr:


8. Bürgerbeteiligung stärk die Demokratie

„Die künftige Rolle der Kommunalpolitik ist die eines Moderators und Koordinators in einem Geflecht von gleichgestellten, aber autonomen Akteuren. Aufgabe von Politik ist nicht mehr, kollektiv verbindliche Entscheidungen zu treffen, sondern dafür zu sorgen, dass kollektive Entscheidungen getroffen werden“ mehr:


9. Bürgerbeteiligung vs. repräsentativer Demokratie

„Die stärkere Verknüpfung zwischen repräsentativ-demokratischer und bürger-demokratischer Politik dürfte der zunehmenden Komplexität von Gesellschaft und Politik eher Rechnung tragen als ein überkommenes, hoheitliches Politikverständnis, das sich allein mit parlamentarischer Mehrheitsentscheidung rechtfertigt. Notwendig ist vielmehr eine „horizontal und vertikal differenzierte Regelungsstruktur“ mit Schritten hin zu einer neuen Kommunikations- und Beteiligungskultur. In ihr muss sich der moderne, kommunizierende und verhandelnde Staat nicht zuletzt dadurch bewähren, dass die Bürgerinnen und Bürger ernst genommen und ihnen neue Diskursräume und Beteiligungsplattformen geboten werden.“ mehr:



10. Elitenbeteiligung – Beteiligung der breiten Mehrheit

„Zur Verwirklichung des Ziels einer breiten Beteiligung bedarf es des Einsatzes geeigneter Methoden und Instrumente. Es muss hierbei von der exklusiven Verliebtheit vieler Protagonisten in solche Methoden Abschied genommen werden, die eine unmittelbare face-to-face-Kommunikation gewährleisten. Es entsteht hierdurch eine Bevorzugung von Methoden, die auf das Arbeiten in und mit Kleingruppen abstellen, aus denen aber die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen bleibt, der keine Beteiligungschance zuteil wird“ mehr:


11. informelle Bürgerbeteiligung und ihre Vorteile

„Mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an städtebaulichen Planungen ergeben sich nicht nur Chancen zu gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch ganz „handfeste“ Vorteile gegenüber den herkömmlichen formellen Verfahren. mehr:

12. informelle Bürgerbeteiligung und ihre Nachteile

Als ein wesentliches Problem stellt sich heraus, dass es kaum zu gelingen scheint, Bürgerinnen und Bürger aus allen Gesellschaftsschichten zu aktivieren und zu beteiligen. mehr


13. Bürgerbeteiligung und ihre Erfolge

„Es zeigt sich, dass die Bewertung des Erfolgs von informellen Beteiligungsverfahren kaum objektivierbar ist, sondern vielmehr abhängig ist von den Erwartungen, die die jeweiligen Vefahrensbetreiber an das Ergebnis des Verfahrens stellen oder von den Zielen, die sie formulieren. Die Maßstäbe für eine entsprechende Bewertung sind bei den einzelnen Akteursgruppen unterschiedlich: Während für Politik und Verwaltung an erster Stelle die Akzeptanz des Vorhabens (= Konfliktfreiheit) steht, legen Investoren vor allem Wert auf Wirtschaftlichkeit und Rendite und die Bürgerschaft vor allem auf Funktion und Nutzen. mehr

14. Stadtentwicklungsplanung ist mehr als Kommunikation

„Trotz der in dieser Dissertation zum Ausdruck gekommenen überwiegend positiven Bewertung informeller Beteiligungsverfahren bleibt zu beachten, dass städtebauliche Planung nicht reduziert werden kann auf Kommunikation und Kooperation. Nach wie vor muss jeder städtebaulichen Planung eine sorgfältige Bestandsaufnahme und Problemanalyse auf fachlicher Grundlage voraus gehen und das gewissenhaft abgewogene Planungsergebnis muss politischen und rechtlichen Entscheidungsprozessen Stand halten können. Dazu bedarf es mehr als ausgeprägter Moderationsfähigkeiten – es bedarf der sorgfältigen Arbeit qualifiziert ausgebildeter StadtplanerInnen.“


15. Rechtliche Regelungen, Möglichkeiten, praktische Beispiele

„Das geltende Städtebaurecht bietet bei konsequenter Anwendung einerseits Beteiligungsrechte und andererseits ausreichende Spielräume zur Gestaltung umfänglicher Kooperationsverfahren. Es sind nicht Gesetze und Normen, die Bürgerbeteiligungsverfahren erfolgreich machen – es sind die Menschen, die diese Gesetze und Normen anwenden“ mehr:


Fazit:

Die „Bürgerkommune" ist als Perspektive ebenso real wie fundamental. Man muss sie allerdings nicht nur wollen, sondern auch mit sehr viel Energie und mit Einsicht in ihre realen Bedingungen ins Werk setzen! „