Planungshoheit – ein Recht, das die Bezirke sich nicht nehmen lassen

Aus Planungspraxis - Planen verstehen
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Nach | § 12 I BerlBzVwG ( Bezirksverwaltungsgesetzes des Landes Berlin) bestimmt die BVV die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirks im Rahmen der Rechtsvorschriften, regt Verwaltungshandeln durch Empfehlungen und Ersuchen an und entscheidet in den ihr vorbehaltenen Angelegenheiten. Den – abschließenden – Katalog der der BVV zur Entscheidung vorbehaltenen Angelegenheiten enthält § 12 II BerlBzVwG, nach dessen Nr. 4 die BVV bestimmt über „Rechtsverordnungen zur Festsetzung von Bebauungsplänen, Landschaftsplänen und anderen baurechtlichen Akten, die nach Bundesrecht durch Satzung zu regeln sind […]“

Umgangssprachlich ausgedrückt: Im Allgemeinen ist es Aufgabe der BezirksvertreterInnen, Verwaltungshandeln anzuregen. Der Grund: Die Bezirke haben im Laufe der Jahrzehnte Großteile ihrer Selbstverwaltungsufgaben an das Land Berlin abgetreten!

Aber aufgepaßt: Das gilt nicht für die Bauleitplanung! In den Ausschüssen Stadtplanung bzw. Stadtentwicklungsplanung geht es deshalb nicht darum, Verwaltungshandeln anzuregen, sondern darum, als MandatsträgerIn Verantwortung zu übernehmen für die räumliche Entwicklung des Bezirks und in diesem Rahmen die Verwaltung zum Handeln anzuweisen!

Die Bauleitplanung ist also weiterhin d i e essentielle Selbstverwaltungsaufgabe der Bezirke. Diese darf nach dem Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen an das Land Berlin abgetreten werden. Deshalb liegt die Verantwortung für die räumliche Entwicklung des Bezirks allein bei den Bezirksverordneten. Diese werden darin von einer fachkundigen Planungsverwaltung unterstützt. Die BezirksvertreterInnnen weisen mit Mehrheitsbeschluss die Verwaltung an, sie fordern die Verwaltung zum Handeln auf, sie entscheiden darüber, ob ein Bebauungsplanentwurf verabschiedet wird als Rechtsverordnung oder nicht. Selbst Anträge auf Baugenehmigung oder Befreiungen müssen dem Ausschuss auf Verlangen vorgelegt werden.

Der rechtstheoretische Hintergrund kurz zusammengefasst: "Die Entscheidungsträger von Politik und Verwaltung haben in den Kommunen nicht nur die größte Nähe zur Bürgerschaft, sie haben - auch auf der politisch-administrativen Ebene- die unmittelbarsten Eingriffsmöglichkeiten. Die vom Grundgesetz (Artikel 28) garantierte ‚kommunale Selbstverwaltung’ mit dem Recht auf ‚kommunale Planungshoheit’ schafft die (größtmöglichen) Voraussetzungen zur Gestaltung von Steuerungsprozessen in der kommunalen Entwicklung. Damit ist die Gemeinde/Stadt auch der geeigneteste Ort zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern." | Lüder Busch, Dissertation S. 104 mehr...

Sich hinter der Verwaltung zu verstecken nach dem Motto: "Wir sind alles und die Verwaltung alles in Schuld" gilt nicht.



Im Einzelnen:

"Der Gesetzgeber hat die Aufgabe der Bauleitplanung der örtlichen Gemeinschaft und damit jeder Gemeinde ohne Rücksicht auf ihre Größe, Struktur und Verwaltungskraft übertragen. Das BVerfG hat die Gründe für die Übertragung der Planungshoheit auf die Gemeinden in seinem Beschluss zum Stadtverband Saarbrücken vom 9.12.1987 (BVerfGE 77, 288, 300) überzeugend wie folgt zusammengefasst:

'Dieses materielle Regelungskonzept hat der Bundesgesetzgeber mit der in | | § 2 Abs. 1 BBauG enthaltenen Zuweisung der Bauleitplanung an die Ortsstufe als deren eigene Angelegenheit folgerichtig organisatorisch umgesetzt. Wenn der Bundesgesetzgeber eine aktive Beteiligung der örtlichen Gemeinschaft an der Planung wollte, war es konsequent, die Zuständigkeit für die Planung in den eigenen Initiativraum der Gemeinden zu geben. Zum einen spricht die Vermutung dafür, dass die örtliche Verwaltungsebene die voraussehbaren Bedürfnisse der Gemeinde und die bestehenden Strukturen des Plangebiets in aller Regel besser kennt und daher sachgerechter planen kann, als dies ortsferne kommunale oder staatliche Institutionen vermöchten. Zum anderen wird auf diese Weise der Initiative und Teilhabe der Einwohner, die von der Bauleitplanung unmittelbar betroffen werden, Raum gegeben. Auch die Anregungen und Bedenken der Bürger richten sich so an ein eigenes, von ihnen gewähltes und für das Plangebiet spezifisch zuständiges politisches Organ. All dies befördert die Initiative der örtlichen Öffentlichkeit und verleiht den Bebauungsplänen eine spezifische Legitimation. Die in | | § 3, § 4 und § 147 BBauG vorgesehenen Modifizierungen der gemeindlichen Planungszuständigkeit erfasst auf sachgerechte Weise jene Fälle, in denen die zu berücksichtigenden überörtlichen Bezüge konkret eine über das Gebiet der einzelnen Gemeinde hinausgehende einheitliche Planung erfordern (insbesondere | § 3 und § 4 BbauG) oder in denen die Verwaltungskraft der Gemeinden im Einzelfall zu schwach ist, um eine sachgerechte Bauleitplanung zu gewährleisten (insbes. § 147 BBauG).

Mit der Zuweisung der Bauleitplanung an die Gemeinden als eigene Angelegenheit stärkt das Bundesbaurecht die Sachnähe der örtlichen Ebene und sichert die Planentscheidung gegen Eingriffe einer ortsfernen Fachaufsicht ab. Damit wird zugleich gewährleistet, dass neben der Initiative auch die Verantwortung für die Bauleitpläne eindeutig im örtlichen Bereich, nämlich bei der Gemeinde und ihrem von den Gemeindebürgern gewählten Organ liegt. Insbesondere enthalten | | § 2 Abs. 1, § 3, § 4 und | | § 147 BBauG mit der Zuweisung der Bauleitplanung an die Gemeinden als eigene Angelegenheit und deren nähere Ausgestaltung und Modifizierung ein ausgewogenes organisatorisches Folgekonzept zu den materiellen Bauplanungsregeln, das der Bundesgesetzgeber mit guten Grünen zur Ausführung und Verwirklichung der materiellen Regelungen für notwendig erachten durfte.“ (1*)

Die gesetzliche Einschränkung der Planungshoheit ist also in jedem Fall an strenge Voraussetzungen geknüpft, insbesondere dann, wenn die Übertragung der Zuständigkeit ganz oder Teilweise an eine andere Körperschaft übertragen werden soll, z.B. vom Bezirk an das Land Berlin. Dann muss in einem Abwägungsprozess entschieden werden, ob übergeordnete Gründe des Gemeinwohls die Aufgabenverlagerung rechtfertigen. Das Ausführungsgesetzt zum Baugesetzbuch für das Land Berlin (| AGBauGB) sieht für derartige Fälle folgende Regelungen vor: „§ 9 Aufstellung und Festsetzung von Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung

(1) Der Senat kann im Benehmen mit dem Rat der Bürgermeister durch Beschluss feststellen, dass ein bestimmtes Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung ist oder für Industrie- und Gewerbeansiedlungen von derartiger Bedeutung wesentlich ist. Widerspricht der Rat der Bürgermeister mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder, bedarf der Beschluss des Senats der Zustimmung des Abgeordnetenhauses.

(2) Äußert sich der Rat der Bürgermeister nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten, darf der Senat davon ausgehen, dass Einvernehmen mit dem Rat der Bürgermeister besteht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 gilt für das weitere Verfahren | § 8 BauGB entsprechend.“

Einzelnachweis

(1*) Kommentar zum Baugesetzbuch, W. Schrödter, München 2006, 7. Auflage, § 1 RN17