Informelle Beteiligung
„Demographische Entwicklung und wirtschaftliche Situation sind jedoch nur zwei Aspekte einer Entwicklungstendenz, die weitere Ursachen haben.: Wertewandel In der deutschen Gesellschaft findet, besonders ausgeprägt seit den 1980er Jahren, ein grundlegender Wertewandel statt. Lars Holtkamp (2000) skizziert diesen Wertewandel mit der Formel: „Von der Pflichterfüllung zur Selbstentfaltung“. Damit beschreibt er eine Entwicklung, nach der der Bürger nicht mehr allgemeine gesellschaftliche Normen der Pflichterfüllung zur Grundlage seines Handels macht, sondern die Verwirklichung seiner persönlichen Lebensvorstellungen. Dies bringt folgende Verhaltensdispositionen hervor: - Das Bedürfnis, sich als autonome Person zu verwirklichen, - die Abwehr von autoritativ (im Gegensatz zu argumentativ) begründeter - Folgsamkeit, - eine sehr eingeschränkte Bereitschaft zur Übernahme von Pflichten, - eine Beurteilung von öffentlichen Entscheidungen auf dem Hintergrund des persönlichen Nutzens, - eine wachsende Bereitschaft, sich gegen bürokratische Regeln zu wenden und schließlich - die Verringerung der Bereitschaft, ausschließlich moralischen - oder traditionalistischen Normen zu folgen (vgl. Klages, 1993).“
Wandel in der Vorstellung vom Ehrenamt Der allgemeine gesellschaftliche Wertewandel geht einher mit einem Wandel der Vorstellung vom Ehrenamt. Joachim Detjen (2000) verweist darauf, dass nach Erfahrungswerten nicht einmal fünf Prozent der Bürgerinnen und Bürger kontinuierlich am traditionellen politischen Leben (Beteiligung an Gruppenaktivitäten auf Gemeindebene, Unterstützung von Parteien u.a.) teilnehmen. Die Teilnahme an themenbezogenen politischen Aktivitäten auf lokaler Ebene (Mitarbeit an Bürgerinitiativen, Demonstrationen u.a.) liege noch um etwa zehn Prozentpunkte niedriger als die an traditioneller Aktivität. Eine systematische Erfassung ehrenamtlichen Engagements ist u.a. durch den „Europäischen Wertesurvey“ (EWS) in den Jahren 1980, 1990 und 1999-2000 und durch die Eurovol-Umfrage 1995 geleistet worden. Aus den genannten Untersuchungen lassen sich drei wesentliche Befunde festhalten (vgl. Anheiser, Toepler, 2002, S. 4): 1. Ehrenamtlichkeit stagniert in Europa. Es scheint eine Umstrukturierung stattgefunden zu haben, aber kein Wachstum als solches. 2. Die Motivationsträger von Ehrenamtlichkeit zeigen eine deutliche Verschiebung von religiös-moralischen Vorstellungen hin zu instrumentellen, individualistischen Motivationslagen. 3. Bürgerschaftliches Engagement in Europa ist weiterhin stark von nationalen Gegebenheiten und Strukturen geprägt, insbesondere von der jeweiligen Einbettung und Rolle des Dritten Sektors. Offensichtlich ist bürgerschaftliches Engagement in den Industrieländern der EU einer Individualisierung und Säkularisierung unterworfen. Vom ehemals lebenslangen Engagement in Vereinen, Kirchen und Parteien wenden sich die BürgerInnen einem eher kurzfristigen und ergebnisorientierten Engagement in Organisationsformen außerhalb der traditionellen Schemata zu.“(Lüder Busch, Seite 15 - 17)